Vieles aus der Vergangenheit verweist in die Zukunft

von Johannes Lengert, Juni 2019

Eine scheinbar banale Aussage. Ich las sie einmal als Motto einer Kunstausstellung, und sie kam mir wieder in den Sinn, als ich gefragt wurde, ob ich meine Bilder in der Schule ausstellen würde, an der ich fast ein Vierteljahrhundert als Lehrer gearbeitet habe.

In meiner eigenen Schulzeit habe ich mich mit bildender Kunst beschäftigt, zuerst praktisch, eben im Kunstunterricht, dann aber auch immer mehr mit ihrer Geschichte.

Nach dem Studium der Germanistik und Geographie und später auch der Hispanistik, nach Lehrtätigkeiten an Gymnasien, im Auslandsschuldienst und schließlich in der Erwachsenenbildung hier am Niederrhein-Kolleg stand die praktische Malerei für mich eine lange Zeit nicht mehr im Vordergrund.

Dann, vor etwa zehn Jahren, habe ich einen neuen Anlauf genommen und begonnen, in Acryl auf Leinwand und Holz zu malen und Plastiken bzw. Skulpturen zu fertigen. So hat mich die Vergangenheit wieder eingeholt. Jetzt verbindet sie sich mit zwei baugeschichtlichen Ereignissen, einerseits mit dem hundertjährigen Bauhausjubiläum und andererseits mit der inzwischen 66-jährigen Geschichte des heutigen Niederrhein-Kollegs.

Die Verbindung findet sich in der Person des Architekten Oswald Matthias Ungers. Dieser, ein Schüler Egon Eiermanns, hat in der Zeit von 1953 bis 1958 wesentliche Erweiterungsbauten des Niederrhein-Kollegs gestaltet, ein architektonisches Ensemble, das formalistische und geometrische Strenge ausstrahlt, die wir auch bei Bauhaus-Architekten wiederfinden, eine Strenge, die allerdings auch ein bestimmtes Zeitgefühl spiegelt.

In den mehr als zwei Jahrzehnten als Lehrer am Niederrhein-Kolleg sind mir die von Ungers geschaffenen Räume und Fassaden dabei zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Die Beschäftigung mit der Geschichte des Bauhauses, der Blick auf meine „alte Schule“ aus einer gewissen zeitlichen Distanz, durch die häufig erst das architektonisch Besondere bewusst wird, und das Angebot, einige Bilder von mir auszustellen, haben mich dazu angeregt, auch neue Bilder zu malen, die gezielt auf die Ungersche Formgestaltung Bezug nehmen und gleichzeitig mit den Grundfarben spielen, wie sie das Bauhaus zum Lehrprinzip erhoben hat.

Ungers eigene Farbgestaltung sind der rötliche Ziegelstein in der Fläche und der graue Beton bei den tragenden vertikalen und horizontalen Elementen. Wenn man – mit dem Auge der Kamera – Segmente aus Wänden, Portalen, Fassaden herausschneidet und Licht und Schattenwirkungen farblich neu interpretiert, durch ein kräftiges Rot und Blau oder die Komplementärfarben grün und orange, wenn man die Baustrukturen in Weiß auf peußischblauem Grund wie eine Blaupause entstehen lässt, können das Quadrat und das Rechteck trotz der räumlichen Reduktion eine neue Strahlkraft gewinnen. Meine Absicht war, diese Elemente in meine Bilder aufzunehmen.

Das Porträt des Architekten mit den streng wirkenden Gesichtszügen vor einem Bautrakt des Kollegs, der typische Stilelemente zeigt, kann vielleicht den Menschen hinter seinem Werk zeigen.

Das Niederrhein Kolleg in Oberhausen liegt etwas versteckt, fast peripher, als hätte es etwas zu verbergen. Doch im Gegenteil: Es hat viel zu zeigen, nämlich eine bedeutsame Architektur und im Innern auch eine ganze Menge neuer, von seinen derzeitigen Studierenden, erstellter Kunst, die es ebenfalls zu entdecken gilt.

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